Schöpfung? Welche Schöpfung? Über Gott als Konzept

Kürzlich kam ein schöner Tweet von @treeburger mit diesem Bild und dem Kommentar: In Bezug auf die Schöpfung finde ich die Darstellung aus dem 19 Jh besonders eindrücklich: die „Schöpfung“, Hervorbringen von Leben durch einen mittelalten Herrn, der gebeugt in der Luft herumfuchtelt? Solche Vorstellungen können eig. nur Männer entwickeln.

Der fünfte Schöpfungstag. Gott bei der Erschaffung der Tiere. Zeichnung von Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872)

Ja, manchmal ist es atemberaubend, wie albern und absurd sich die männliche Theologie Gott zurechtphantasiert hat. Hier im Blog vertrete ich ja in Bezug auf Gott das Motto: „Es geht nicht um ihre Existenz“. Niemand braucht einen Gott, der „existiert“. Niemand braucht eine Religion, die sich Gott als alten weißen Mann vorstellt, der mit seinen Händen in der Gegend herumfuchtelt und mit großem Hokuspokus Dinge „erschafft“. Kein Wunder (und ein Glück) dass der die Aufklärung nicht überlebt hat.

Fragt sich nur, was ist Gott dann? Meine These: Gott ist ein Konzept, eine Idee. Gott „existiert“, wenn man so will, wie Freiheit, Liebe, Gerechtigkeit, nämlich in Beziehungskontexten. Sie existiert nicht wie ein Baum, ein Tisch, ein Haus.

Die monotheistische Idee von Gott = Schöpferin ist ja keine Universumsentstehungs-Theorie, sondern eine Sinnfindungs-Theorie. Das heißt, sie soll nicht erklären, wie das Universum entstanden ist (dafür ist die Naturwissenschaft zuständig, Urknall, Evolution und so weiter), sondern sie will einen Vorschlag machen, wie wir Menschen uns in dieser Welt verorten sollen, die wir bei unserer Geburt (sowohl als Einzelne wie auch als Menschheit) bereits vorgefunden haben und an der wir nicht allzu viel ändern können, jedenfalls aus kosmologischer Perspektive.

Nämlich so, dass wir die Welt anschauen als etwas „Geschaffenes“, also mit Sinn und Bedeutung ausgestattetes, und nicht als etwas rein Zufälliges, Egales. Dieses Konzept beinhaltet dann, dass es ein „Gesetz“ gibt (Tora), an das wir uns halten sollen, um diesem Plan, wenn man so will, gerecht zu werden.

Die jüdisch-christliche Religion ist eine Philosophie/Weltanschauung, die durch das Konzept „Gott=Schöpferin“ eine Begründung für ein menschliches „Sollen“ einführt, die sich nicht auf Eigeninteressen und Community-Sitten beschränkt, sondern auf etwas „Höheres“, „Universales“ verweist.

Im Judentum und auch später im Islam gibt es in Bezug auf dieses Göttliche ein strenges Bilderverbot, genau aus dem Grund, dass unbedingt verhindert werden muss, dass man Gott ins Innerweltliche verlagert, dass man sich von ihr ein Bild macht, so als würde sie in dieser Welt „existieren“. Das hat dann auch den schönen Nebeneffekt, dass Gott nicht einfach vermännlicht werden kann.

Dass der „Schöpfer“ auch im Judentum und im Islam mehr männliche als weibliche Assoziationen weckt, stimmt natürlich trotzdem, zumal ja die Gottesbilder der drei Religionen sich gegenseitig beeinflusst haben. Auch Jüd:innen und Muslim:innen, die dauernd alte Gottesmänner mit Bart sehen, werden im Lauf der Jahrhunderte automatisch davon geprägt. Aber im Christentum ist die Gefahr einfach sehr sehr viel größer.

Das Christentum hat nämlich die persönliche Beziehung zwischen Mensch und Gott betont, und zwar als intime Beziehung („Vater“). Als Christin soll ich nicht einfach Gottes Gesetze befolgen, sondern ich soll mit ihr quasi in einen direkten und personalen Austausch treten. Ich finde diese Idee auch gar nicht nur schlecht. Aber in dem Moment ist die Gefahr natürlich groß, Gott auch als Person mit menschlichen Zügen auszustatten. Und in patriarchalen Gesellschaften werden das unweigerlich männliche Züge sein. Zumal dann auch noch die Christusgestalt als göttliche Figur dazukam, was die Vermischung von Göttlichem und Männlichem noch einmal potenziert hat.

Auf diese Weise ist im Christentum schließlich das Bilderverbot gefallen und „Gott=Schöpferin“ wurde ganz ungeniert als Mann dargestellt. Das find ich im Prinzip alles nicht so schlimm, denn Shit happens in history.

Wirklich schlimm finde ich allerdings, dass es auch heute noch in den Kirchen so wenige Leute gibt, die daran etwas ändern möchten. Denn es ist ja eindeutig Gotteslästerung, wie ich finde.

9 Kommentare zu „Schöpfung? Welche Schöpfung? Über Gott als Konzept

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  1. Sehr guter Beitrag. Das einzige was mich stört. Wenn Gott nur in Beziehung zum Menschen gedacht wird, ist das ein ziemlich armseliger Gott. Ist die Menschheit ausgestorben, so existiert auch kein Gott mehr. Warum kann man nicht einfach sagen „Gott ist alles“ wie es die Pantheisten behaupten? Dann ist Gott weiblich, männlich, divers. sächlich und vielleicht sogar Außerirdisch.

    1. Ich würde sagen, das kommt auf die Perspektive an. Aus der Perspektive des Menschen ist das Interessante an Gott die Beziehung zu ihr. Aus der Perspektive von Außerirdischen ist eben was anderes an Gott interessant. Der Witz an dem Konzept ist ja gerade, dass es die Partikularität des Menschseins und die Universalität (Gott im Universum) zusammendenkt.

  2. Naja, wenn man sich die Patriarchen der Bibel mal genau anschaut, geben die bei genauerer Betrachtung ein recht erbärmliches Bild ab.
    Die Bibel ist da ziemlich drastisch.
    Schieben die Schuld auf andere ab, treffen keine Entscheidungen (z.B. Abraham, als Hagar auftrumpft und nochmal, als Sarah sie mit dem Sohn im Bauch in die Wüste schickt. Usw.

    Ansonsten finde ich es schlicht genial, wie das Judentum in der Auseinandersetzung mit babylonischen und anderen Gottesbildern und Schöpfungsmythen eine(n) abstrakten bilderlosen transzendenten und doch nicht unpersönlichen Gott entwirft, dessen Ebenbilder wir Menschen unabhängig vom Geschlecht sind.
    Ein Gottesbild, dass sich in seiner unerklärlichen Transzendenz auch heute noch sehr gut zu den wissenschaftlichen Weltbildern
    unserer Zeit passen.

  3. Als Atheist bleibe ich natürlich skeptisch 😉
    Ich höre öfter, dass Leute sagen „Gott ist Liebe“, was zu der Frage führt: wozu dann Gott? Für Liebe, Gerechtigkeit und Freiheit haben wir doch schon Wörter, nämlich Liebe, Gereichtigkeit und Freiheit.
    Meine zweite Frage wäre, wenn du Gott als philosophisches Konzept beschreibst, ob du dann wirklich an nichts Übernatürliches glaubst. Viele, die sagen „Gott ist Liebe“ glauben dann nämlich doch, dass „Liebe“ Dinge tut, die Liebe als menschliches Konzept nun mal nicht tun kann. „Liebe“ hat nicht das Universum erschaffen (ok, den Punkt hast du explizit verneint, fair enough), aber es macht auch keinen Sinn zu „Liebe“ zu beten und „Liebe“ bestraft oder belohnt einen auch nicht nach dem Tod. Glaubst du denn auch an Himmel und Hölle?

    Was den Glauben an einen persönlichen Schöpfergott angeht gibt es übrigens Theorien dazu, dass der Mensch biologisch dazu neigt. Hintergrund ist die menschliche Neigung, dauernd zu fragen, ob hinter irgendwelchen Phänomenen ein handelndes Wesen steckt (agency detection). Das ist ein wichtiger Überlebensmechanismus, denn wenn man in der Wildnis ist und der Busch raschelt, dann ist es sinnvoll, erstmal zu unterstellen, dass dahinter ein handelndes Wesen steckt (z. B. ein Raubtier). Da man lieber einmal zu oft auf dieses potentielle Wesen reagiert, ist der Mechanismus quasi überaktiv, was dazu führt, dass der Mensch gerne mal ein handelndes Wesen in alles Mögliche reininterpretiert. Daher ein allmächtiger Gott, der für alles mögliche verantwortlich ist, wie Erdbeben, Krankheiten, die Ernte usw. usf.
    Das alleine erklärt natürlich nicht die kulturell entwickelten und komplexen Religionen, aber es könnte ein Grund dafür sein, dass so viele Religionen auf Personen-Götter kommen, wenn sie die Welt erklären wollen.

    1. Also für mich sind „Gott“ und Liebe zwei verschiedene Konzepte 🙂 _ Wenn Gott Liebe ist, ist sie genauso Gerechtigkeit, Freiheit usw. Wenn man versuchen will, ein Synonym zu finden, wäre es vielleicht „gutes Leben für alle“, das sage ich manchmal, wenn ich mit Leuten zu tun habe, denen das Konzept „Gott“ nichts sagt, oder die es ablehnen. Oder auch „Unverfügbare Leerstelle“ – wichtig an dem Konzept Gott ist nämlich, dass es nicht mit bestimmten Inhalten gefüllt und damit blockiert wird.

      Übernatürliches, hm. Also nicht im Sinne von Hokuspokus oder Außer-Kraft-Setzen von Physik. Eher in dem Sinne, dass immer auch Unwahrscheinliches möglich ist und man damit rechnen sollte. Unvorhergesehenes, Ungeahntes, Unverfügbares, Sachen, die wir uns mit unserem beschränkten Verstand gar nicht vorstellen können. „Gottes Friede, der höher ist als alle Vernunft“ heißt es in einer liturgischen Formel. Es ist einfach eine Weise, wie dieses Unverfügbar Unvorhergesehene im Alltag kulturell eingebunden wird, eine Kulturtechnik, damit umzugehen. Also zum Beispiel, indem man sagt „Gott sei Dank“ hat man dieses Konzept angewandt, und es ist was anderes als „Glück gehabt“, obwohl im Prinzip dasselbe passiert ist. Wenn ich jemand bei der Abreise sage „Gott behüte dich“ drücke ich damit aus, dass ich mir wünsche, dass dieses Unverfügbare Unvorhergesehene so wirkt, dass die Reise gut verläuft. Damit ist nicht gemeint, dass ich irgend einen Zauberer bitte, einzugreifen, sondern es ist eine kulturelle Verständigung darüber, dass wir uns jetzt „vertrauensvoll“ dem Schicksal überlassen, weil wir es einfach nicht in der Hand haben. Das griechische Wort „pistis“, das immer mit Glauben übersetzt wird, kann man ja genauso gut mit „Vertrauen“ übersetzen. Religiöse Menschen glauben an das Gute in dem Sinne, dass die vertrauen, dass Gott schon auf unserer Seite ist, das heißt, sie setzen sich mit dem, was uns Menschen unverfügbar ist, aber unser Leben ganz krass beeinflussen kann, bewusst in eine Beziehung und Verbindung. So etwa.

  4. Das ist ein Gotteskonzept, das mir gefällt. Ich denke in letzter Zeit wieder öfter drüber nach, ob ich weiterhin Christin (und Katholikin, aber das ist eine andere Baustelle) sein will und kann und was das für mich bedeutet. Hadern tue ich allerdings gerade besonders mit Jesus Christus und seiner Rolle, kurz gefasst, ob er anders Kind Gottes ist als ich.

  5. Ab und zu finden sich in der Bibel auch weibliche Schöpfungsbilder, wie z.B. zu Beginn von Psalm 90

    1 … O Herr, du warst uns Wohnung von Geschlecht zu Geschlecht.
    2 Ehe geboren wurden die Berge, ehe du unter Wehen hervorbrachtest Erde und Erdkreis,
    bist du Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit.

    ((kath.) Einheitsübersetzung 2016)

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