Frage zum Muslimin-Sein

Eine Sache, die ich am Islam faszinierend finde, ist die Einfachheit, Muslim zu werden. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist ja jede Muslimin, die glaubt, dass es keine anderen Gottheiten außer Gott gibt und dass Mohammed sein Prophet ist. Es ist zwar wohl üblich, aber formal keineswegs notwendig, dies öffentlich zu bekunden.

Faszinierend finde ich das, weil das Christin werden eher umständlich ist. Man muss einiges an Bedingungen erfüllen, um als Erwachsene getauft zu werden, auch wenn es heute längst nicht mehr so kompliziert ist, wie in den ersten Jahrhunderten, wo man sich einem Jahre dauernden Vorbereitungs- und Prüfungsparcours unterziehen musste, bevor man in die christliche Gemeinde aufgenommen wurde. Insofern erstaunt mich dieses sehr breit gefasste Verständnis von Zugehörigkeit im Islam.

Und zwar umso mehr, als ich das selber nämlich auch bezeugen könnte: Ich glaube, dass es keine anderen Gottheiten außer Gott gibt, und dass Mohammed Gottes Prophet ist. Aber bin ich deshalb wirklich schon Muslimin?

Ich glaube ja zum Beispiel nicht, dass Mohammed der letzte/wichtigste/maßgebliche Prophet Gottes ist, sondern für mich ist er nur einer unter vielen.

Ich glaube auch nicht, dass der Koran das unverfälschte Wort Gottes ist, sondern dass er (wie alle heiligen Schriften) eine unentwirrbare Mischung aus göttlicher Inspiration und menschlicher Interpretation ist.

Ich glaube außerdem, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist.

Und ich glaube, dass Jesus Christus einen Weg zur Erlösung der Menschheit aufgezeigt hat (allerdings glaube ich nicht, dass der christliche der einzige mögliche Weg zur Erlösung ist).

Intuitiv würde man sagen, dass diese vier Punkte es eigentlich unmöglich machen, dass ich Muslima bin. Aber mit dem ernsthaften und ehrlichen Bekenntnis zu „Es gibt keine andere Gottheiten außer Gott und Mohammed ist Gottes Prophet“ hätte ich kein Problem. Das glaube ich tatsächlich.

Mich würden hier natürlich vor allem Einschätzung von Musliminnen und Muslimen interessieren. Wie seht Ihr das? Ist es möglich, Christin und Muslimin gleichzeitig zu sein? Wie könnte man in dem einen oder anderen Fall argumentieren? Gibt es dazu schon Debatten und Texte? Dann würden mich auch Links interessieren.

Many Thanks!

 

30 Kommentare zu „Frage zum Muslimin-Sein

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  1. Eine sehr interessante Frage. Ich glaube überdies, dass Religion ihren Zweck darin hat, sich selbst überflüssig zu machen, d.h. dass sie für diejenigen ist, die Religion eben noch brauchen (oder selbst freundlich WISSEN, dass sie gebraucht werden). Das Ziel von Religion ist ERKENNTNIS.
    Ist man so weit fortgeschritten, Religion nicht mehr zu brauchen, dann erübrigen sich solche Fragen, sie kommen einem dann recht klein vor – ist das nicht ein herrlicher Zustand?
    -Und belegen kann mir den doch sowieso kein einziger Mensch auf dieser Welt, sondern nur Gott alleine, also warum sollte ich diese Frage an Menschen richten?
    Also: einfach sich an den paradiesischen Zustand der Unschuld erinnern, und aus ihm heraus an Gott und die Heiligen denken. Und bitte nicht vergessen, uns davon zu berichten.

  2. Was im Islam am wichtigsten ist bei allen Taten, sind die Absichten.

    So lange du nicht die Absicht hast Muslima zu sein bzw. nicht Muslima werden willst, bist du keine Muslima.

    Man kann dich ja schließlich nicht einfach in eine Religion zwangsrekrutieren.

    Wenn du aber Muslima sein möchtest und das Glaubensbekenntnis verinnerlicht hast, bist du auch Muslima, wenn du dies oder jenes nicht tust bzw. tust, was falsch ist.

    Der Glaube fängt klein an, wie ein keimender Samen und muss wachsen.
    Deshalb ist es so leicht Moslem oder Muslima zu werden. Wenn das Fundament erstmal da ist, kommt alles von alleine und wenn nicht, dann eben nicht. So das Grundverständnis.

    Schau dir all die Muslime an, die ihren Glauben falsch leben. Sie sind trotzdem Muslime und eben auch einfach nur Menschen.

    So einfach ist das.

    VLG

    1. @Primamuslima:
      „…So lange du nicht die Absicht hast Muslima zu sein bzw. nicht Muslima werden willst, bist du keine Muslima.“

      Dein Satz klingt so schön, so einfach!
      Wie ist es denn aber umgekehrt, wenn jemand innerhalb einer muslimischen Familie/Gesellschaft die Absicht hat, kein Muslim oder keine Muslima mehr sein zu wollen – ist er oder sie dann auch automatisch keine mehr und kann fröhlich vor sich hin leben?
      Ok, ich vermute mal, das hängt sehr stark davon ab, wo auf der Welt man in islamischen Gesellschafen lebt, oder?
      Wenn man hier in D in einem kleinen katholischen Bergdorf lebt und Atheist/in ist, kriegt man wohl eher Gegenwind als in Berlin 😉

      „…Man kann dich ja schließlich nicht einfach in eine Religion zwangsrekrutieren.“
      Hier im Westen vielleicht nicht *mehr*, aber anderswo passiert das schon noch, und generell hat das Aufzwingen oder das gewaltsame Durchsetzen von Religionen weltweit Tradition.
      Wenn eine Religion, der man aus freien Stücken eigentlich nicht angehören will, unter Androhung von gesellschaftlichem Ausschluss oder schlimmerem gelebt werden muss, finde ich das auch eine Art von Zwangsrekrutierung.
      Umgekehrt gab und gibt es natürlich auch Religions-Verbote und Unterdrückung von Glauben, das ist mir schon klar. Ist genauso schlimm.

      1. @Sternenguckerin

        Ich bin weder Gott, noch der König der Welt. Somit kann ich weder beeinflussen, was irgendwo auf der Welt passiert, noch kann ich für alle Muslime sprechen.

        Was ich weiß ist: Einmal Moslem, immer Moslem. Wer sich nach der Erkenntnis von der Religion abwendet, sündigt. Ist ja klar oder? Wäre es nicht sinnlos, wenn eine Religion sagen würde „Kommt und geht, wie ihr wollt. Auf wenn ihr die Wahrheit kennt und euch trotzdem nicht daran haltet, passiert nichts besonderes.“

        Ganz ehrlich: Bei so einer Regelung würde ich einfach mal nichts mehr machen.

      2. @primamuslima – „Wer sich nach der Erkenntnis von der Religion abwendet, sündigt. Ist ja klar oder?“ Nein, find ich nicht klar. Zumal es viele Leute gibt, die sich als Muslime bezeichnen, aber die Wahrheit offensichtlich nicht zu kennen scheinen, wie zum Beispiel Salafisten oder Boko Haram.

        Und Leute, die sich nur deshalb zu Gott halten, weil es da irgend eine „Regelung“ gibt, die finde ich auch nicht besonders überzeugend. Mir – und das ist jetzt aus evangelisch-christlicher Perspektive gesprochen – ist es wichtig, dass Leute authentisch glauben und nicht heucheln. Eine „Regelung“, die das Abwenden von einer Religion bestraft, fördert meiner Ansicht nach die Heuchelei und stellt damit Religion insgesamt in ein schlechtes Licht. Und trägt damit dann auch die Verantwortung dafür, dass viele Außenstehende alles, was mit Religion zu tun hat, für falsch und dumm halten.

      3. Ok..und was schlägst du mir jetzt vor? Soll ich schnell mal den Koran umschreiben?

        Fordert dieser Blogeintrag nicht eine rein informative Unterstützung? Jedenfalls sieht das für mich nicht wie ein Meinungsthreat aus.

        Sich über vermeintlich dem Islam inhärente Rückständigkeit echauffieren, aber selbst ein hochgradig voraufklärerisches Weltbild vertreten..sagt dir der Begriff „Kulturalisierung“ etwas?

        Danke, bitte, gerne!

      4. @primamuslima – Ich versteh nicht, worauf sich dein letzter Kommentar bezieht. Wo ist mein Weltbild voraufklärerisch oder wo sage ich, der Islam sei rückständig? Ich finde die Behauptung „Einmal Moslem, immer Moslem“ halt nicht nachvollziehbar, von daher habe ich dein „Ist ja klar“ eben nicht verstanden. Also: Ich nehme zur Kenntnis, dass es für dich (eventuell für alle_viele Muslim_innen) offenbar „klar“ ist, ich verstehe aber nicht, warum. (Es entspricht ja auch nicht der Realität, weil es ja faktisch immer wieder vorkommt, dass sich Menschen vom Islam abwenden).

      5. @primamuslima – Informativ fand ich hingegen deine erste Erklärung, dass im Islam die Absicht zählt, dass ich also (trotz Glaubensbekenntnis) keine Muslima wäre, wenn ich nicht die Absicht hätte, eine zu werden. Das finde ich sehr plausibel.

        Allerdings scheint es dazu auch unterschiedliche Sichtweisen zu geben. Drüben bei Facebook hat eine Freundin, die Lehrerin ist, berichtet dass sie von ihren (jugendlichen_jung-erwachsenen) muslimischen Schülern häufig gesagt bekommt, dass sie „eigentlich“ doch auch eine Muslimin sei, weil sie an Gott glaubt, sie müsse sich nur von ihrer christlichen „Verirrung“ befreien. Gegen diese Zuschreibung scheint es ihr dann auch nicht viel zu helfen, wenn sie darauf verweist, dass sie keinerlei Absicht hat, Muslimin zu werden (und sie macht es ärgerlich).

      6. @primamuslima – Zumal das mit dem „Wahrheit kennen“ ja so eine Sache ist: Faktisch kennen wir alle die Wahrheit nicht, weil niemand von uns Gott ist. Wir können immer nur besten Wissens und Gewissens versuchen, diese Wahrheit zu ergründen. Wenn also Menschen (meistens Männer) behaupten, sie würden die Wahrheit Gottes kennen und die dann anderen Menschen aufdrücken, ist das meiner Ansicht nichts als pure Gotteslästerung. Und genau diese Art von Gotteslästerung kommt leider sowohl im Islam als auch im Christentum ständig vor und ich finde, es wird viel zu wenig (von den anderen Gläubigen) gegen diese Anmaßung unternommen. Die sehr viel schlimmer ist, als wenn sich jemand aus Zweifeln von der Religion abwendet. Nicht zu einer Religion zu gehören ist weniger sündig als den Namen Gottes zur Durchsetzung seiner eigenen Ansichten zu missbrauchen.

  3. Das ist eine hervorragende Frage. Ich werde sie beantworten, sobald ich ausgerechnet habe, wie viele Engel auf einer Nadelspitze tanzen können.

  4. Vielleicht liegt die Einfachheit darin begründet, dass nach islamischer Lehre das Muslima- / Moslem-Sein eigentlich der Naturzustand des Menschen ist.

    Nach der 2. Sure Vers 59 des Koran werden Juden und Christen tatsächlich zu den Gläubigen hinzugezählt.

    Allerdings benennt der Koran auch deutlich die dogmatischen Unterschiede, z. B. was die Gottessohnschaft Jesu und den Kreuzestod betrifft. Insofern ist es müßig, als Christ/in behaupten zu wollen, man sei Muslima bzw. Moslem.

    1. @Ismael – Ja, diese Vorstellung vom Naturzustand Muslimsein ist mir bekannt, aber sie ist etwas inkonsistent, weil ja viele Menschen geboren werden, die nichts von Mohammed wissen. Von daher kann der Naturzustand nur sein, auf Gott zu vertrauen (da würde ich dir u.U. sogar zustimmen).

      Dass der Koran die dogmatischen Unterschiede betont, würde mich in meiner theoretischen Position ja nicht stören müssen, denn das würde ich eben als die menschlich überformten Fehlinterpretationen der göttlichen Botschaft einsortieren 🙂 _ Von daher ist es nur solange müßig, bis wirklich jemand auf die Idee kommt, sich als Christ und Moslem gleichzeitig zu verstehen.

      Oder vielleicht hat es das ja auch schon mal gegeben?

      1. Ja, dieses polyreligiöse Bekenntnis gibt es oft. Wobei ich den Eindruck habe, dass die Betreffenden die Schriften der jeweiligen Religionen nicht richtig zur Kenntnis nehmen wollen.

      2. @Ismael – Ja, oft wird zu wenig differenziert, aber andererseits gibt es dann auch die, die sich in konfessionelle Streitereien verheddern (christlich zum Beispiel das unterschiedliche Abendmahlsverständnis der Konfessionen) und dabei das Wesentliche aus den Augen verlieren. Ich habe bei den ganzen Debatten über die Unterschiede zwischen Religionen generell oft den Eindruck, dass das Wichtigste – Gott – dabei in den Hintergrund gedrängt wird.

  5. „Und ich glaube, dass Jesus Christus einen Weg zur Erlösung der Menschheit aufgezeigt hat (allerdings glaube ich nicht, dass der christliche der einzige mögliche Weg zur Erlösung ist). “

    Hallo Antje, zu Deinen Fragen kann ich als nicht-religiöser Mensch nichts sagen, aber ich bin an diesem Satz von Dir hängen geblieben.
    Vielleicht hast Du ja schon an anderer Stelle etwas dazu geschrieben, von was die Menschen erlöst werden sollen/können…?

    1. @Sternenguckerin – Na, Erlösung von allem unnötigen Leid (Krieg, Atomunfälle, Einsamkeit, Armut etc.). Also dem, was einem guten Leben für alle entgegensteht.

  6. hm…ok.
    Danke für die Antwort!
    Aber meinst Du nicht, dass das alles in unserer eigenen Verantwortung liegt?
    Und wie stellst Du Dir eine Erlösung vor?

    „Unnötiges“ Leid finde ich einen interessanten Begriff, denn er impliziert, dass es auch ein „nötiges“ Leid geben könnte…?
    Armut ist etwas, was wir Menschen selbst „erschaffen“ haben, oder nicht?
    Auch Atomunfälle passieren, weil wir selbst die Möglichkeiten dazu geschaffen haben.

    Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man Armut mit einem Gottesglauben besser aushalten kann, auch kann ich gut nachvollziehen, dass eine Glaubensgemeinschaft mit aktivem Netzwerk in Armut und Leid Stärke und Kraft geben kann.
    Ganz egal, ob das Leid durch uns Menschen selbst (z. B. durch Misswirtschaft oder Unterdrückung) oder durch „unverschuldete“ Ereignisse wie Naturkatastrophen entstanden ist.
    Aber Erlösung?
    Vielleicht komme ich hier wieder an so eine ähnliche Verständnisgrenze wie bei der „göttlichen Justiz“ die Du in einem anderen Artikel angesprochen hast.
    Das steht (für mich) in einem Widerspruch zu dem, wie Du Gott als etwas Unverfügbares schilderst…
    Nach meiner Vorstellung können wir allein von unseren Mitmenschen (und von uns selbst, uns selbst gegenüber) auf so etwas wie Verzeihen, Verständnis oder Milde hoffen. Und das ist schon gewaltig viel verlangt, wie ich finde.
    Aber ich schätze, dass ist nicht was Du mit Erlösung meinst…?

    Aber – ich will hier nicht von Deiner eigentlichen Frage nach dem muslimischen Glauben ablenken.
    Vielleicht haben ja aber Muslima oder Muslime selbst noch eine eigene Vorstellung zur Erlösung?

    1. @Sternenguckerin – Ja, mit „unnötigem“ Leid meine ich wohl tatsächlich das von den Menschen selbst erschaffene. Aber dass Menschen etwas selbst erschaffen haben, heißt ja nicht automatisch, dass sie es auch ohne Hilfe wieder wegbekommen 🙂 _ Also zum Beispiel wenn ein Kind etwas kaputtmacht, ist es auch selber schuld, aber vielleicht braucht es Hilfe, um es wieder ganz zu machen, wenn das überhaupt geht. Ich bin tatsächlich nicht sehr optimistisch, was die Möglichkeit betrifft, dass wir Menschen all den Mist, den wir selber uns (und anderen) eingebrockt haben, ohne Hilfe wieder geregelt kriegen.

      Was den Umgang mit nicht selbst verschuldetem Leid angeht (Naturkatastrophen), so ist es in der Realität schwer zu trennen. Zum Beispiel wenn durch Regenfälle Slums weggespült und Leute obdachlos werden, dann ist zwar einerseits der Regen schuld, andererseits aber auch die Umstände, die verhindern, dass die Leute bessere Häuser haben. usw.

      Und: Ja, man kann auf Verständnis oder Milde der Mitmenschen hoffen. Gott kommt genau da ins Spiel, wo diese Hoffnung nicht aufgeht.

      1. Danke für Deine Schilderungen!

        Zu Deinem Beispiel mit dem Kind:
        Ja, manchmal können wir helfen, heilen und reparieren, und manchmal eben nicht, egal welcher Ursache und egal wie schwer das Leid ist.
        Dass man hofft, dass in „hoffnungslosen Fällen“ Gott ins Spiel kommt, kann ich zwar als Wunsch nachvollziehen, weil wir eben hoffen können.
        Soweit komme ich noch mit 😉
        Ein Mensch im Glauben geht aber über die Hoffnung hinaus, er/sie vertraut, glaubt eben, dass Heilung und Erlösung stattfinden *wird*, wenn auch nicht im irdischen Leben (vielleicht aber auch dort), dann aber vielleicht in einem wie auch immer gearteten Jenseits.

        Wenn wir uns gegenseitig nicht mehr verzeihen können, weil wir uns so schweres Leid zu gefügt haben, dass es nicht mehr gut zu machen ist, dann müssen wir das eben aushalten (und leiden dann möglicherweise auch daran).
        Zu hoffen, dass diese wie auch immer geartete „Schuld“ eines fernen Tages von einem Gott von uns genommen wird, kann ich, siehe oben, als Wunsch nachvollziehen.
        Dass man, wenn man mit Schuld leben muss, auf einen Gott hofft, der in letzter Instanz sagt „ich vergebe Dir“ – das ist sehr verführerisch, ja, absolut.
        Und auch zu hoffen, dass wir als Gesamt-Menschheit, die immer mehr erkennt, wie rücksichtslos sie untereinander handelt und den Planeten beutelt,- also eine Art „Schuld“ auf sich geladen hat – diese „Schuld“ irgendwie verziehen oder vergeben zu bekommen, finde ich auch verführerisch.
        Aber *warum* in aller Welt sollte irgend jemand uns DAS alles vergeben?
        Auf welcher Grundlage?

        Wenn ich es richtig verstanden habe, findest Du es eigentlich naiv, wenn Menschen glauben, dass Gott ganz konkret etwas „richtet“ oder „lenkt“ und „belohnt“ oder „straft“ – und in diese Reihe würde ich auch das Vergeben von Schuld und das Erlösen von Leid stellen – weil Du in der Gottesfigur etwas „Unverfügbares“ siehst, was sich unserer konkreten Vorstellung und dem Besetzen mit Inhalten entzieht (wie gesagt, ich bin mir nie ganz sicher, wie Du das tatsächlich meinst).
        Wie kann so eine Figur/Kraft… dann so etwas konkretes tun und unsere Schuld vergeben, uns von Leid erlösen?
        Dazu müsste man annehmen, dass dieser „Unverfügbarkeit“ etwas an uns Menschen gelegen ist, oder nicht?
        Aber vielleicht ist das gar nicht so, vielleicht sind wir auch für die „Unverfügbarkeit“ nur ein Augenzwinkern lang vorhanden und dann wieder weg – so, wie wir es eben sind, wenn wir uns in Relation zu dem setzen, was wir bisher vom Kosmos und seiner Evolution wissen?

        Wenn Gott, der/die/es unverfügbar ist, dann müsstest Du doch konsquenter Weise auch die Möglichkeit mit einbeziehen, dass diese „Unverfügbarkeit“ vielleicht auch *nicht* unsere Schuld vergibt und uns vielleicht *nicht* erlöst…und wir einfach selbst sehen müssen, wie wir unsere ganzen Suppen auslöffeln…oder?

      2. @Sternenguckerin – „Wenn Gott, der/die/es unverfügbar ist, dann müsstest Du doch konsquenter Weise auch die Möglichkeit mit einbeziehen, dass diese “Unverfügbarkeit” vielleicht auch *nicht* unsere Schuld vergibt und uns vielleicht *nicht* erlöst…und wir einfach selbst sehen müssen, wie wir unsere ganzen Suppen auslöffeln…oder?“ – Ja, natürlich. „Gott“ ist das Wort, das genau nicht mehr inhaltlich gefüllt wird, darauf zu vertrauen bedeutet lediglich darauf zu vertrauen, dass mit den innerweltlichen Mechanismen, die du beschreibst, nicht das letzte Wort gesprochen ist. Dass niemals etwas endgültig „so ist“. Mehr ist es nicht, aber es ist auch nicht wenig, finde ich.

  7. Nur noch ein Tipp: Goethe ist einer, den einige Muslime schon für einen Muslim hielten. Dazu kann man wissen, dass Goethe schon für einen Alchemisten, Freimaurer, Christ und vieles andere gehalten wurde. 🙂
    Das interessante an ihm ist die goetheanistische Weltanschauung, die man in seinem Werk nachlesen kann. Etwas, das wahr und authentisch ist!
    Nun muss ich wieder ins Privatleben abtauchen, eine schöne Diskussionsrunde wünsche ich noch
    Herzlich, Kerstin S.

  8. Denke gerade an die Baha’i Religion, die der Meinung sind, dass Gott immer wieder Propheten auf die Erde schickt, dass ihr eigener, dessen Name ich vergessen habe, der bis jetzt letzte Prophet war, der gekommen ist, und dass all die Propheten anderer Religionen, Moses, Jesus, Abraham, Buddha und eben auch Mohammed (ich glaube, es gab noch mehr) durchaus echte Propheten waren. Gewöhnliche Moslems stehen dem, so viel ich weiß, eher kritisch gegenüber. (Als ich noch für das Haus der Religionen in Hannover aktiv war, stand ich einmal an einem Stand und wurde von einem Iraner angesprochen, der mich fragte, warum wir die Baha’i mitmachen ließen, das sei doch nur eine von Engländern ins Leben gerufene Sekte mit dem Ziel, den Iran zu unterwandern.)

  9. Hallo Susanna (nur noch eine Einmischung):
    ich habe mal für ein paar Monate in einer Community mit Bahai Hauseltern gewohnt. Der Stifter heisst: Baha’ulla.
    Nun, dem Normalo-Iraner kann man so antworten: den Trick kenne ich. Zuerst sagt man, der und der und der ist kein richtiger Glaubender, die gehören nicht dazu. Danach vergisst man das Ganze, stellt sich aber – in Verzweiflung ob des nun entstandenen Vakuums – gewisse Fragen, die jetzt unbeantwortet bleiben. Auch das gibt es im Islam und im Christentum.
    Hey – es gibt doch tausende und mehr Menschen auf der Welt, die eine entsprechende Haltung einnehmen. Wenn du sie sektualisierst und damit ausgliederst, brauchst du dich nicht wundern wenn du hinterher weniger klug bist als vorher, denn jeder und jede weiss doch etwas.
    Also, ich bin nicht gebildeter als Andere, ich gebe gerne zu, dass ich Freude dran habe, vom Blog zu lernen (und den zugehörigen Menschen); es kommt eben auf die Einstellung an, ob die freundlich und kostruktiv ist.
    Die Trennung zwischen innerem und äusserlichem Christentum fand gemäss der von Antje Schrupp verlinkten Texte schon Mitte des 3. Jahrhunderts statt. Schade! Aber die Anzahl der entsprechenden Menschen ist in jedem Land meist ungefähr gleich und nicht an bestimmte Strömungen gebunden. Also muss es auch im Islam so sein.
    Nun werde ich der Versuchung wiederstehen und nicht mehr weiterkommentieren, weil ich selbst gespannt auf Antworten bin und sie nur durch Zurückhaltung zu hören bekomme
    Alles Liebe

    1. @Metin – Danke für die Einschätzung, es würde mich auch interessieren, wie Sie die begründen. Ist das Sprechen des Glaubensbekentnisses also doch nicht ausreichend?

  10. @primamuslima:
    „Was ich weiß ist: Einmal Moslem, immer Moslem. Wer sich nach der Erkenntnis von der Religion abwendet, sündigt. Ist ja klar oder?“

    Ok, das ist Deine Sicht, gut dass Du das deutlich machst!

    Ich war eigentlich eher auf der Suche nach „offiziellen“ Regeln, Formalitäten.
    Ich habe über „Apostasie“ gelesen, welche den „Abfall“ vom Islam meint und scheinbar, wenn man in einem islamischen Staat lebt, mit Strafen geahndet werden kann.
    Dann scheint es aber auch noch Austritte aus dem Islam zu geben, die nicht strafrechtlich verfolgt werden, es bedarf lediglich einiger Formalitäten.
    Die Unterschiede bzw. die Richtlinien, nach denen das Unterschieden wird, sind mir nicht klar, aber wie gesagt, ich habe darüber nur wenig Wissen und dachte, vielleicht konkreteres von einer Muslima dazu zu lernen.

    Ich selbst wurde z.B. evangelisch getauft als ich Baby war.
    Aber ich habe bis heute keinen Funken eigener Religiosität in mir finden können (jedenfalls nicht so, wie ihn die mich umgebenden Kirchen und Gemeinden vorleben oder vorschreiben) und habe vor etlichen Jahren auch meine „Papier-Religion“ formal beendet.
    Dieses „einfach austreten können“ finde ich einen wichtigen Schritt – ganz so wie Antje es schreibt – es ist meine persönliche Freiheit, und es ist authentisch.
    Wenn ich dann eines Tages wieder eintreten möchte, weil ich vielleicht ein prägendes Erlebnis habe, welches mir einen authentischen Glauben ermöglicht, den ich dann auch innerhalb einer Glaubensgemeinschaft leben möchte – warum sollte es ein Problem sein?

  11. @Antje:
    „…dass diese “Unverfügbarkeit” vielleicht auch *nicht* unsere Schuld vergibt und uns vielleicht *nicht* erlöst…und wir einfach selbst sehen müssen, wie wir unsere ganzen Suppen auslöffeln…oder?” – Ja, natürlich.“
    Cool 😉

    Das bringt mich Deinem Gottesbild doch langsam näher (und ich finde es immer noch ziemlich atheistisch), danke schön!

    „…darauf zu vertrauen bedeutet lediglich darauf zu vertrauen, dass mit den innerweltlichen Mechanismen, die du beschreibst, nicht das letzte Wort gesprochen ist. Dass niemals etwas endgültig “so ist”.“
    Auch cool 😉
    Der letzte Satz kennzeichnet übrigens auch die Denkweise der naturwissenschaftlichen Erkenntnis-Theorie, das gefällt mir. Nichts ist endgültig „fertig“ erkannt, durchschaut, begriffen.
    Nie. Zum Haare-raufen, aber es zwingt zur Einsicht, dass alles was wir wissen oder jemals wissen werden unvollkommen bleibt.

    Deine Anwort an @primamuslima: „…Zumal das mit dem “Wahrheit kennen” ja so eine Sache ist: Faktisch kennen wir alle die Wahrheit nicht, weil niemand von uns Gott ist.“
    Oh ja!
    Aber was sagst Du Menschen, die sagen, sie würden „Gottes Wort=Wahrheit“ kennen und es uns Menschen erzählen?
    Oder ist „Gottes Wort“ nicht dasselbe wie die Wahrheit, nach dem Verständnis vieler Religionen?

  12. „Ich glaube außerdem, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist.“

    Ich war vor kurzem mit meiner Klasse in einer Moschee und ich denke mal, dass das der „Kasus Knacktus“ wäre.Ich bin sehr für interreligiösen Dialog und ich glaube absolut an die Werkgerechtigkeit und verschiedene Wege zum Heil und ich habe auch in dem Gottesdienst in der Moschee wirklich gespürt was den Islam so anziehend macht (glaubwürdige Spiritualität) Und in dem Gespräch mit dem Hodscha ist mir die Pragmatik dieser Religion aufgefallen (und das finde ich sehr sympathisch). Es ist nicht schwer Gottes Gebote zu halten und seine Gnade zu finden.
    Also: Die Unterschiede sind minimal. Aber es gibt auch Unterschiede. Aber die müssen nicht trennend sein.
    Und weil auch ich

    „Ich glaube außerdem, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist.“

    würde ich kein Moslem werden.

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