Oder wie würdet Ihr das nennen?

waldIch nehme an, viele von euch kennen das, was mir heute passiert ist, oder zumindest sowas Ähnliches.

Es war ein Sommertag in Frankfurt, in warmem Sonnenschein fuhr ich Rad, bog ein in einen Waldweg, sah die Herbstfarben an den Bäumen und hatte ein Gefühl, eine Erkenntnis, eine Klarheit von „WOW“.

In christlichen (oder generell religiösen?) Vokabeln ausgedrückt würde ich diesen Moment oder diesen Zustand, in den ich da geriet, „Dankbarkeit für Gottes gute Schöpfung“ nennen. Aber wenn ich das heute so sagen würde, würden mich die meisten Menschen für ein bisschen gaga halten.

Also überlegte ich beim Weiterfahren, ob ich dieses Gefühl, diesen Zustand, diese Erkenntnis irgendwie anders beschreiben könnte. Dann wird es aber deutlich länger, denn die Angelegenheit ist komplex. Also, folgendermaßen vielleicht:

– Wow, ist das schön! (Ist „Wow“ heute vielleicht ein Synonym für Gott?)
– Ich bin sehr froh, dass ich das erlebe.
– Ich erlebe das einfach so, ohne dass ich es mir durch irgendwas verdient hätte.
– Ich bin dankbar (aber nicht einer bestimmten Person, sondern einfach so generell).
– Das hier ist kostbar und wichtig, aber gefährdet, kann kaputtgehen oder kaputtgemacht werden. Das darf aber nicht sein.
– Angesichts der Größe der Welt bin ich nur ein winzigkleines Teilchen, aber irgendwie ist das auch nicht schlimm, sondern geht so in Ordnung.
– Das, was ich hier erlebe, ist ein Privileg, ich weiß sehr genau, dass andere Menschen das nicht erleben, und das ist falsch (diese Erkenntnis ist sehr klar und ungeschönt, aber gleichzeitig geht von ihr – in diesem Moment, anders als sonst – merkwürdigerweise keine Schwere aus, sie macht mich nicht depressiv, sondern eher entschlossen).
– Das hier ist wichtig. Wichtiger als vieles, was ich ansonsten für wichtig halte.

Ich glaube, das ist es so ungefähr, was gemeint ist, wenn von „Dankbarkeit für Gottes Schöpfung“ die Rede ist.

Was mir nun nicht ganz klar ist, ist die Frage nach der Henne und dem Ei. Ist das Erleben eines solchen Momentes generell ein menschliches Erleben oder ein speziell Religiöses? Also: Erleben sowas alle, drücken es aber anders aus als ich mit meinem religiösen Hintergrund? Oder erlebe ich das nur, weil ich durch meine religiöse Sozialisation darauf „trainiert“ wurde (bei der mir schon als Kind erklärt wurde, zum Beispiel: Schau her, wie schön der liebe Gott diese Blume gemacht hat)?

Oder ist es eine Mischung aus beidem, also dass nicht-religiöse Menschen ähnliche Momente erleben, aber nicht alle Umschreibungen, die ich dafür gebe, teilen würden? Sondern dass Ihnen ganz andere Dinge im Kopf herum gehen? Oder teilweise andere Dinge?

Jedenfalls finde ich es wichtig, eine kulturelle Sprache für diese Art Erleben_Erkenntnis zu haben. Also Wörter, mit denen wir uns darüber verständigen, dass wir solche Momente erleben, damit das letztlich auch politische Fragen aufwirft und in unsere Kulturproduktion mit einfließt. Damit man es sozusagen als Argument benutzen und sich darauf beziehen kann. Ohne für gaga gehalten zu werden.

„Dankbarkeit für Gottes Schöpfung“ wäre quasi sowas wie ein Mem, in dem diese komplexe Situation eingeschrieben ist (und natürlich ist sie noch komplexer als in meinen paar Spiegelstrichen aufgelistet). Nur dass das Mem halt nicht mehr funktioniert.

Gibt es vielleicht ein anderes? Ich hätte jedenfalls gerne eins.

22 Kommentare zu „Oder wie würdet Ihr das nennen?

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  1. Eine Freundin, die Künstlerin ist, hat einmal zu mir gesagt: „Ich weiß nicht, ob es Gott gibt, aber manchmal drängt es mich Ihn zu loben und zu preisen.“ Was sich unserem Verstand so schwer erschließt, wird uns manchmal ganz unvermittelt geschenkt und momenthaft zur Gewissheit. Diese Spannung zwischen Zweifel und Gewissheitsmomenten macht für mich Glaube aus.

  2. So ein Moment, aber ein ganz besonders intensiver, war der Ausgangspunkt zu einer Metamorphose… die eine Agnostikerin, die nun wirklich nichts, aber auch gar nichts mit Religionen am Hut hatte, in eine Gottergebene verwandelte.

    Wir nennen diese Momente „das Schmecken der Süße des Glaubens“, wenn man sich nicht dagegen wehrt, wird die Gewissheit allmählich zum Fastnormalzustand und die Zweifel nutzt man zum Nichtstehenbleiben.

    PS Gott braucht keine Hilfe.

  3. Für mich haben solche Erlebnisse nichts mit Religion zu tun 🙂 einfach mit einem bestimmten Bewusstseinszustand. Kann mir aber gut vorstellen, dass man es sich in religiösem Kontext intensiver erlebbar machen kann, es in solchem (gedanklichen) Kontext besser zulassen kann. So oder so gilt solches Erleben wohl meist als „anachronistisch“ (ausserhalb v.Religion erst recht), und da bin ich Frau Schrupps Meinung: „Jedenfalls finde ich es wichtig, eine kulturelle Sprache für diese Art Erleben_Erkenntnis zu haben. Also Wörter, mit denen wir uns darüber verständigen, dass wir solche Momente erleben, damit das letztlich auch politische Fragen aufwirft (…)“
    lG, Lea
    PS: Es gibt den Spruch: „Ich bin nicht gläubig, aber wenn ich J.S.Bach höre, werde ich es für einige Momente“. Ist wohl was ähnliches. (und hat für mich immer noch nichts mit Religion zu tun 😉 obwohl ich auch tief berührt, fasziniert, „verzaubert“ und versunken sein kann in Bachs Musik)

  4. Ich singe beim Laufen manchmal gern die alten Kirchenlieder: Großer Gott wir loben Dich. Und ich denke da nicht an einen „großen Gott“, sondern an die Kindheit und dann fällt mir noch Dietrich Bonhoeffers: „Von guten Mächten wunderbar geborgen…“ ein.
    Heute aber empfand ich auch die milde Luft und das goldene Licht wie einen schönen Abglanz – nicht von Gott, sondern des schönen Lebens. Es geht uns – noch immer – gut. Der Herbst ist mir sowieso immer so angenehm – einschließlich der Herststürme.
    Gruß Magda

  5. Ich würde es Demut nennen. Nicht im religiösen Sinne, sondern vielmehr eine Demut vor dem Universum, und der darin enthaltenen Natur mit all ihren Gesetzen. Wobei ich nicht nur meine eigene Bedeutungslosigkeit erkenne, sondern auch die der Dinge um mich herum.

    Denn an einer Stelle denke (und fühle) ich darüber anders als Du. Du schreibst:
    „Das hier ist kostbar und wichtig, aber gefährdet, kann kaputtgehen oder kaputtgemacht werden. Das darf aber nicht sein.“

    Es ist *mir* kostbar und wichtig, und hat diesen Wert nicht an sich. Deswegen werde ich mich bemühen, es nicht kaputt zu machen. Sollte es aber dennoch kaputtgehen (z.B. durch ein Erdbeben), so ist das nicht schlimm, sondern geht so in Ordnung. Denn das Schlimmfinden und Bedauern ist mein subjektives Empfinden. Dieses resultiert aus Bewertungen, die ich vergebe, die also von mir kommen, und die nicht in den Dingen an sich vorhanden sind. Aus „Das darf aber nicht sein“ wird in meinem Fall also ein „Das will ich nicht“.

    Dasselbe gilt für Deinen letzten Satz über die Wichtigkeit. Da auch die „Wichtigkeit“ von mir selbst kommt, würde ich jenen Satz für mich umdrehen: „Nichts ist wirklich wichtig in der Welt. Es sei denn, wir nehmen es wichtig…“

    Ich kann aber auch etwas Wichtiges daraus lernen. (Und das erinnert ein wenig an die „Lilien auf dem Felde“ in der Bibel.) Ich bin selbst ein Teil der Natur, und der Rest der Natur (außer mir) ist nicht dazu da, mich zu erfreuen. Die Pflanzen und Tiere existieren überhaupt nicht zu einem bestimmten Zweck. Sie mögen vielleicht Nahrungsmittel für Andere sein, doch ist das nicht ihr Lebenszweck. Sie sind einfach nur. So wie ich als Teil der Natur ebenfalls nur bin, ohne einen bestimmten Zweck erfüllen zu müssen. Dadurch besitze ich die Freiheit, meinem Leben selbst einen Sinn zu verleihen. Einen Sinn, den es nicht an sich, sondern wieder nur für mich hat…

  6. Solche Momente kenne ich auch und ich habe sie Paradies-Momente genannt. Im Paradies zu sein ist ja auch sowas, wie nicht vom Göttlichen getrennt sein oder bei Gott sein. Paradies-Gefühle kenne ich auch bei sehr seltenen, ganz guten, intensiven, vertrauten Gesprächen. Da habe ich dann das Gefühl, Gott oder das Göttliche ist dabei, mir ganz nahe.
    Ich vermute, dass andere, nicht-religiöse Menschen, diese Momente mit den entsprechenden Gefühlen auch erleben. Möglicherweise haben sie aber keine Wörter, keine Sprache dafür? Es ist ja eine Erfahrung, die sich auch auf der non-verbalen Ebene abspielen kann.

  7. Ich würde solche Momente am ehesten als Ehrfurcht bezeichnen. Ich denke dann auch, „Wow, ist das toll“ oder „Wie schön, dass es sowas gibt“. Also auch eine Dankbarkeit, wobei ich aber nicht unterscheide oder es dahingestellt lasse, ob das nun durch die Natur, das Universum, Zufall oder Gott entstanden ist. (Bzw bei „Gott“ hab ich halt immer die Vorstellung des alten Mannes auf einer Wolke, der mit der Mikroorganisation von 7 Mrd Menschen beschäftigt ist). Das ist dann vielleicht das unreligiöse daran, ich bin einfach so glücklich und dankbar, ohne einen speziellen Urheber dafür zu benennen.
    Ich glaube, das hat weniger mit Religion zu tun als mit einer „Offenheit für die Wunder dieser Welt“

  8. Der theologische Umgang mit Erlebnissen, wie du sie beschreibst, war ein Studienschwerpunkt von mir. Dein Erlebnis gehört m.E. in den Bereich der Mystik, ein Versenkungserlebnis; sehr tiefgehende und prägende Versenkungserlebnisse werden manchmal als „unio mystica“ bezeichnet, ein Hinweis auf den Gehalt des Erlebnisses, in dem Gemeinschaft mit etwas/irgendwas/irgendwem/? erlebt wird. Mystisches Erleben aber bringt zwar subjektive Gewissheiten hervor. Deren Versprachlichung aber ist ein kritisch zu bewertender Prozess, in den kulturelle Prägungen und sprachliche Möglichkeiten bestimmend einfließen. Was gesagt wird, ist nicht das, was erlebt wird. Was erlebt wird, entzieht sich dem Gesagtwerden, soll aber eine sprachliche Form finden. Das führt entweder zu Formalisierungen, die aus dem jeweiligen kulturell prägenden Diskurs stammen, oder zu ständigem kritischem Unterlaufen von Dogmatisierungen – deshalb waren Mystiker immer dem Scheiterhaufen nah. Wie wir solche Erfahrungen in unsere Diskurse einbauen können, das würde mich auch heftig interessieren. Vielleicht können wir zusammen dran arbeiten?

    1. @fredbalke – ja, so ist es. Wobei ich finde, dass „mystisches Erlebnis“ sich so spektakulär anhört, in Wirklichkeit ist es irgendwie auch wieder „ganz normal“, sowas zu erleben. Ich bin unbedingt dafür, solches zu versprachlichen und damit für den Diskurs verfügbar zu machen. Zumal das ja ein Phänomen der Sprache generell ist, dass sie niemals 100% die Realität abbildet, und es niemals leicht ist, das zu sagen, sodass es auch ankommt, was wir sagen wollen. Das ist bei mystischen Erlebnissen nur besonders deutlich, gilt aber eigentlich für jede Art von Erfahrungen und Erlebnissen. Man hat versucht, dieses Problem mit Hilfe von „Definitionen“ in den Griff zu bekommen, aber das funktioniert auch nur so mittel und erzeugt wieder andere Schwierigkeiten.

  9. In Bezug auf mystische Erlebnisse muss die Sprachkritik noch einen Zacken weiter gehen. Jede Sprache hat eigene Strukturen, ohne die sie nicht auskommt. Mystische Erlebnisse sind aber nicht in solchen Strukturen erlebt, sondern „offen“, „frei“ oder wieauchimmer. Wenn versucht wird, sie in Sprache zu fassen, werden sie den vorhandenen sprachlichen Strukturen unterworfen. In den indogermanischen Sprachen ist das die Subjekt-Prädikat-Struktur: Wir „unterstellen“ automatisch durch den Gebrauch unserer eigenen Sprache das Vorhandensein eines Subjekts. Im mystischen Erlebnis aber stellt sich die Erfahrung dieses „Vorhandenseins“ eben völlig anders dar denn als Vorhandensein eines Subjekts: die Wiedergabe des Erlebnisses verfälscht das, was erlebt worden ist, und das notwendigerweise. Die hochgelobten älteren Mystiker waren sich dieser Schwierigkeit immer bewusst. Ihre zahlreichen Versuche, durch metaphorisches Reden der Grundschwierigkeit der Verfälschung durch Versprachlichung zu entkommen, füllen Bände. Auf jeden Fall aber zwingt die Erkenntnis dieser Schwierigkeit jede/n MystikerIn, gegenüber dogmatischen Reden, die auf spirituelle Erfahrungen rekurrieren, kritisch zu sein. Die zu Mystik passende theologische Richtung ist „negative Theologie“. Und die passt nicht zu kirchlichen oder gesellschaftlichen Hierarchien.

    1. @Fredbalke – Ja, das stimmt, aber ich behaupte trotzdem, dass das – vielleicht in weniger krasser Form – letztlich für alles Sprechen gilt. Und dass deshalb das Erkennen der Grenzen von Institutionen usw. nicht ein Problem ist, das nur Mystiker_innen mit der Kirche haben, sondern letztlich alle Menschen mit allen Institutionen. Ich glaube, es ist kein speziell „religiöses“ Problem (vielleicht gibt es aber auch sowieso gar keine speziell religiösen Probleme).

  10. Die Sprache in Bildern kann jedenfalls eine Brücke bilden zwischen dem Erlebten und dem Gesagten, und auch zwischen Menschen, die „glauben“ oder „nicht glauben“. Deswegen sind Gedichte beliebt, die von Rilke zum Beispiel oder die von Hilde Domin. Das sind momentan Mems zu diesem Erleben ( Bilder gehen das Erlebte, z.B. die Dankbarkeit für Gottes gute Schöpfung nicht direkt an und kommen gerade deswegen näher. Aber aus dem gleichen Grund sind sie auch missverständlicher). Ein anderes Mem ist zur Zeit die „Bewahrung der Natur“ (ohne Zweckdenken). Das ist vielen Menschen ein Anliegen und ich bin mir sicher, dass es ähnlichem Erleben entspringt wie das, was Du schilderst. Die Mems werden sich, weil es keine gemeinsamen religiösen Codes gibt zur Zeit, immer wieder ändern. Aufeinander aufmerksam werden, einander sehen könnte ja auch so ein Mem werden, oder?

  11. Nachtrag: vielleicht gelingt es, einige Worte aus dem ABC des guten Lebens zu solchen Mems für das Erleben des Göttlichen oder in Verbindung sein mit Gott werden zu lassen – in diesem Fall das Staunen? – Auch wenn das Wort nicht nur so verstanden werden muss?

  12. Warum dem unmittelbaren Leben einen Namen geben? Das sind Konserven, in denen ein Wie in ein Was eingefangen wird und dann kommt noch ein Etikett drauf – z.B. Mystik. Wir erleben ständig und es gibt einfach Momente, in denen eine Empfänglichkeit ist, die das Erleben in tiefere Schichten dringen lässt. Das Erlebte verändert uns dann stärker, als gewisse Alltagsroutinen. Allerdings lassen sich diese Alltagsroutinen auch wieder verlebendigen.

    1. @AJ – Sprache bedeutet immer, das unmittelbare Erleben in Begriffe und Worte zu packen, und das ist immer eine Verkleinerung, eine Verfälschung, Worte können nie die Realität eins zu eins abbilden, es geht immer etwas verloren. Es wird aber auch etwas gewonnen: Nämlich die Möglichkeit, sich mit anderen über das Erlebte auszutauschen, darüber nachzudenken, daraus Lehren zu ziehen, etwas weiterzugeben, es besser zu verstehen….

  13. Was @Gondlir geschrieben hat, passt für meine Erfahrungen auch ganz gut.
    Demut vor der Erkenntnis, dass man ein winziges, unbedeutendes Staubkörnchen ist, eingebunden in die Kreisläufe der Natur, die man nach und nach „entschlüsselt“ und die – so geht es mir jedenfalls, dadurch noch viel Ehrfurcht-gebietend werden.
    Ich habe das auch oft, wenn ich in der Natur unterwegs bin, und richtig umpusten tut es mich, wenn es einen klaren Sternenhimmel gibt!
    Gänsehaut pur.
    Die Erkenntnis, dass sogar unsere Sonne endlich ist und sie „sterben“ muss, hat mich mit meiner eigenen Endlichkeit/Sterblichkeit „ausgesöhnt“ und es mir auch leichter gemacht, den Tod geliebter Menschen besser einordnen zu können. Kenne aber auch Menschen, die das runter zieht und die nihilistische Gefühle darüber entwickeln, dass alles irgendwann „kaputt geht“.

    Als nicht-gläubiger Mensch habe ich immer wieder erlebt, dass mir von gläubigen Menschen „diagnostiziert“ wurde, dass ich, wenn ich solche „Demuts-Erlebnisse“ habe, „Glaube“ beschreibe, nur wüsste ich es nicht. Manche bemitleiden mich dann auch ein bisschen 😉
    Weil sie ja selbst auch so etwas erleben, nur „wüssten sie“ eben, dass etwas göttliches dahinter steckt.
    Habe dann überlegt, ob mich das irgendwie stört, so eine „Fremd-Definition“ meiner Gefühle.
    Bin mir noch nicht so klar darüber, und finde daher den Blogpost gerade extrem passend zu meiner eigenen „inneren Reise“!

    Eine gemeinsame Sprache für solche Erlebnisse ist doch eigentlich vorhanden – Staunen, Dankbarkeit, Ehrfurcht…manche setzen das eben mit Gott in Verbindung, andere nicht.

  14. Egal, ob man nun ein Universum oder Multiversen etc. postuliert: Irgendwas war zuerst da. Entweder die „seelenlose“ Energie, aus der sich alles mehr oder weniger evolutionär entwickelt hat oder etwas „Göttliches“, das sich sich selbst ausgedacht hat. Was man eher geneigt ist zu glauben, das ist von uns selbst offenbar nicht beeinflussbar. Für mich jedenfalls wäre es viel logischer, dass es nichts gibt, als dass es „etwas“ gibt. Trotzdem gibt es etwas, mein Hirn ist also ganz offensichtlich nicht in der Lage, alles zu verstehen. Mit diesem Ergebnis ist Atheismus für mich ausgeschlossen, ich bin ergo zumindest Agnostiker.

    Befasst man sich etwas mit Biologie, Physik und ähnlichen Themen, dann stolpert man unweigerlich irgendwann über die Grenzen der menschlichen Kapazitäten. So filtert unser Gehirn beispielsweise aus den Millionen Lichtimpulsen, die unsere Augen wahrnehmen nur die heraus, die wir auch interpretieren können. Den Rest sehen wir schlichtweg nicht. Hinzu kommen Bereiche des Lichtspektrums, die wir gar nicht wahrnehmen können, wozu andere Lebewesen aber durchaus in der Lage sind.

    Worauf ich hinaus will: Was ich sehe und wie ich es wahrnehme – und auch welche Wirkung es auf mich hat -, das wird ausschließlich vom Unterbewusstsein gesteuert. Wenn das Unterbewusstsein der Ansicht ist, dass ein Vertrauen oder Glaube an etwas „Höheres“ mich effizienter, besser, überlebensfähiger macht, dann werde ich dieses Vertrauen entwickeln.

    Wir sind Überlebensmechanismen, in Jahrmillionen spezialisiert und evolutionär darauf „gezüchtet“, in möglichst jedem Umfeld zu überleben und uns fortzupflanzen. Die Evolution fragt nicht nach Egos, sie probiert aus. Jede Möglichkeit. Viele enden in Sackgassen, einige wenige entwickeln sich weiter und erhalten die Chance, sich zu verbessern und gegenüber anderen zu behaupten.

    Du beschreibst oben einen Moment, der dich glücklich gemacht hat (weil du die Sinne besitzt, solche Dinge wahr zu nehmen) und den du interpretiert hast (auf Basis der Informationen, die du in deinem Leben zusammen getragen hast). Ich habe selbst schon solche Momente erlebt und sogar noch weitaus „gaga-eskere“ :). Es drängen sich danach stets Erklärungs- und Interpretationsversuche ins bewusste Denken – wir wollen einordnen, kategorisieren, verstehen, benennen. Warum eigentlich?

    Was wäre sinnvoller und schöner, als sich einfach später an einen gut eingeprägten glücklichen Moment zu erinnern und diesen in schweren Zeiten als Hilfe und Hoffnung abzurufen?

    Wir wissen nicht, ob es etwas „Höheres“ gibt. Niemand weiß das, auch wenn viele Menschen es zu wissen glauben – es ist immer Glaube. Ich weiß ausschließlich, dass ich bin, dass ich denken kann. Selbst mein Körper ist für mich nicht zweifelsfrei beweisbar, wenn man ich die Logik auf die Spitze treibe. Ich weiß nur: Cogito, ergo sum. Aber was ich bin, weiß ich schon nicht mehr. Wie soll ich also etwas über „höhere Mächte“ wissen?

    Ein Mem suchst du. Sieh dir spielende Tierkinder an. Ein springendes Rehkitz, einen tobenden Welpen. Die brauchen keine Erklärungen, die leben einfach und erfreuen sich daran. Ist „Lebensfreude“ als Mem nicht ausreichend? Wenn es Gott oder göttlich gibt, sind wir es alle.

    🙂 namasté!

    1. @Eriol:
      „Es drängen sich danach stets Erklärungs- und Interpretationsversuche ins bewusste Denken – wir wollen einordnen, kategorisieren, verstehen, benennen. Warum eigentlich?“

      Vielleicht weil wir eben „Muster-Erkenner“ sind, weil wir Ordnung, Identifizierbarkeit und Erklärbarkeit als „sicher“ (=positiv) erleben, wohingegen Unordnung, Zerfall und Chaos uns oft Angst macht? Und zwar auf Grund tatsächlicher Lebenserfahrungen, die wir machen.

      Weil dieses Muster-Erkennen, dieses analysieren und interpretieren uns tatsächlich beim Überleben hilft?

      1. @Sternguckerin: Klar, das hilft uns beim Überleben. Ich glaube aber auch, dass wir Zusammenhänge sehen, wo keine sind (Stichwort Aberglaube), da kann das Benennen auch kontraproduktiv sein.

        Wenn ich auf reiner Faktenbasis die Welt betrachte, sehe ich etliche Millionen verschiedener Lebensformen. Es drängt sich die Vermutung auf, dass der Sinn des Universums darin besteht, Leben zu erzeugen. Für mich persönlich ist an Evolution nicht zu rütteln, was bedeutet, dass Leben immer komplexer werden „will“, bis Bewusstsein entsteht (Gott aka das Universum aka das All-Bewusstein usw. will sich selbst erfahren, sich selbst besser kennen lernen). Nun ist unser Bewusstsein erdgeschichtlich gesehen noch extrem jung, ich könnte mir vorstellen, dass sich unser Wahrnehmungsspektrum noch erheblich erweitert – und das soll es auch, denn wir sind nach meiner Ansicht dazu da, Informationen zu sammeln (gute und schlechte Erfahrungen).

        Trotzdem glaube ich, dass wir uns durch zu viel Erklären vom Sinn entfernen. Wenn ich in der Natur ein WOW Erlebnis habe (und die habe ich durchaus), dann muss ich es nicht erklären. Ich lasse es so tief ich kann in mich einsinken, erlebe den Moment so intensiv ich kann und versuche einen Erinnerungspunkt zu setzen. Dieser hilft mir mit etwas Glück in depressiven Momenten, wieder an Hoffnung zu glauben. Manche Erfahrungen, auch zwischenmenschliche, lassen sich nicht in Worte fassen, da wir die Sprache der Seele nicht sprechen. Zwar sagt Wittgenstein: Die Begrenzung deiner Sprache ist die Begrenzung deiner Welt., aber sie ist nicht die Begrenzung der Seele. Man kann sich auch ohne Worte fühlen, oder? Niemand kann z.B. die Liebe zu seinem Kind erklären oder in Worte fassen, sie IST einfach.

        :O)

  15. Tja, wie nun diese Ereignisse oder Momente nennen?
    -der Moment davor: Achtsamkeit?
    -der Moment selbst: vielleicht Liebe?
    -der Moment danach: Glückseligkeit?
    Ich finde erstaunlich, wie oft „Demut“ hier genannt wird. Ja, das kann ich bestätigen, nur das diese Demut richtig rockt 😉
    P.S.: Bin sehr dankbar diesen Blog gefunden zu haben.

  16. @Eriol schreibt:
    „Trotzdem glaube ich, dass wir uns durch zu viel Erklären vom Sinn entfernen.“
    Wenn es denn einen gibt…
    Ich sag nur 42 😉

    Eriol schreibt weiter:
    „Es drängt sich die Vermutung auf, dass der Sinn des Universums darin besteht, Leben zu erzeugen. Für mich persönlich ist an Evolution nicht zu rütteln, was bedeutet, dass Leben immer komplexer werden “will”, bis Bewusstsein entsteht (Gott aka das Universum aka das All-Bewusstein usw. will sich selbst erfahren, sich selbst besser kennen lernen).“

    Hm…
    Kann sein, dass „Leben“ nach immer größerer Komplexität „strebt“ – kann aber auch sein, dass es nur für uns kleine Menschlein so aussieht, weil wir nach und nach immer mehr davon entdecken und immer mehr Komplexität finden, die aber schon lange vorhanden war, total unabhängig von uns als Beobachtern.
    Mir geht es z.B. oft so, dass das Erklären (sofern möglich) keineswegs das Staunen oder die Demut gegenüber den gewaltigen komplexen Abläufen verringert oder sie weniger „erhaben“ wirken lässt – eher im Gegenteil.
    Wenn das mit der Entropie stimmt (und es scheint so zu sein), dann wiederholen sich lediglich immer wieder ähnliche Abläufe von vorübergehender Stabilisierung und Zerfall.
    Manchmal entsteht dabei so etwas wie unser Planet. Der ist dann ein paar Jahrmilliarden vorhanden und verschwindet wieder, mitsamt seinen Bewohnern…
    Ob da ein „All-Bewusstsein“ oder gar ein „Sinn“ drin oder dahinter steckt…das weiss ich nicht.
    Dennoch würde ich auch so ein Wort wie „Wunder“ verwenden oder „Wow“ dazu sagen, denn es ist ja auch ganz und gar unfassbar, *dass* das alles passiert.
    Auch wenn ich nicht weiss warum.

    Nochmal zu den Erklärungen oder dem Wunsch danach:
    Vielleicht sucht man auch immer so gerne nach Erklärungen, weil man sich in solchen Situationen, wie @Antje sie oben beschrieben hat, so gern mitteilen möchte, man möchte anderen erzählen, was man erlebt hat, man schwappt vielleicht richtig ein bisschen über.
    Und dann stellt man fest, dass man irgendwie kein wirklich adäquates Vokabular hat.
    Dennoch stimmen auch bei solchen Erlebnissen oft die geschilderten Gefühle und Gedanken der Menschen überein, ganz egal ob sie mit oder ohne Glaubens-Hintergrund erzählt werden – so jedenfalls erscheint es mir oft.

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